Die Rafflesia – bestimmt keine F

Auf den Philippinen wächst - sehr vereinzelt - eine eigenartige, rätselhafte Blume, bei der man sich fragen kann, ob es überhaupt eine Blume ist. Sie hat keinen Stiehl, keine Äste, keine Blätter und keinen auf Chlorophyll-Einlagerungen basierenden Stoffwechsel. Dennoch wird sie den Blütenpflanzen zugeordnet.

Ihre größte Art – die insbesondere in Malaysia und Indonesien beheimatete Rafflesia arnoldii – darf zudem noch in Anspruch nehmen, mit einem Blütendurchmesser bis zu einem Meter und einem Gewicht von bis zu elf Kilogramm die größte Blume der Welt zu sein. Man kennt in Südostasien über zwanzig Arten; ihr Durchmesser kann die eines Kohlkopfes oder aber auch eines Autoreifens erreichen. Es sind insbesondere die kleineren Arten, die sich hin und wieder in den philippinischen Bergwäldern finden.

Charakteristisch für die Pflanze sind die fünf, zumeist rot-braun gefärbte Blütenblätter. Sie sind bis zu drei Zentimeter dick, bis zu 45 Zentimeter lang und können Sprenkelungen und kremfarbige Warzen aufweisen. In der Mitte der Pflanze in einer Art Wanne finden sich unterhalb einer Scheibe die Sexualorgane der Pflanze. Es gibt männliche und weibliche Pflanzen.

Die Rafflesia ist eine parasitäre Pflanze, die ihren Wirt jedoch nicht absterben lässt. Sie benötigt für ihr Wachstum eine spezielle Wirtspflanze, die am Boden von Regenwäldern wuchernde, leicht verholzte Tetrastigma-Rebe. In ihrem Wurzelwerk sind zunächst die Gewebefäden der Rafflesia längere Zeit eingeschlossen. Sichtbar wird die Pflanze erst, wenn der Blütenansatz zu knospen beginnt. Es können nun neun bis zehn Monate vergehen, bis sich aus der Knospe die Blüte entwickelt. Nur etwa 10 – 20 Prozent der Knospen entwickeln sich zu Blüten. Regnet es zuviel, verfault die Knospe. Regnet es zu wenig, trocknet sie aus.

Entwickelt sich im günstigen Fall die Knospe zur Blüte, so hält diese lediglich vier bis sieben Tage an und zerfällt dann in einer amorphen, schleimig-schwärzlichen Masse. Die Blüte stinkt nach verfaulendem Fleisch oder - wie auch einmal formuliert wurde - nach „Büffelscheiße“. In Malaysia wird sie auch „corpse-flower“ (Leichen-Blume) genannt. Durch ihren Geruch lockt die Pflanze Fliegen und andere Insekten an, die den männlichen Pollen zu weiblichen Pflanzen tragen. Nach der Befruchtung entwickeln sich Samen, die dann vielleicht von Ratten, Insekten und anderen Tieren gefressen werden und an der Wirtsrebe abgelegt werden. Ein neuer Lebenszyklus setzt ein.

Aus dem Gesagten wird schon klar, dass die Rafflesia außerordentlich schwierige Wachstumsbedingungen hat:

Sie ist auf eine spezielle Wirtsrebe angewiesen, die aber bei Waldrodungen oft als erste entfernt wird.

Nur ein geringer Anteil der Knospen entwickelt sich zur Blüte, die nur sehr kurze Zeit anhält

Es überwiegen männliche Blüten. Weibliche Blüten sind weitaus seltener.

Die Transportwege für Pollen und Samen sind vom Zufall abhängig und setzen weitgehend geschlossene Waldgebiete voraus.

Die Auffälligkeit und Seltenheit der Blume spricht in besonderem Maße die menschliche Neugierde und damit auch Manipulations- und Zerstörungsabsichten an.

So nimmt es nicht Wunder, dass der Fund einer Rafflesia auch auf den Philippinen große Überraschung auslöst. So ist im Jahre 2001 in der Provinz Antique (Tugbok District) eine zur Osterzeit auf einem Bauplatz plötzlich entdeckte Rafflesia sogar zum Objekt religiöser Verehrung geworden, der zu Ehren man Kerzen anzündete (1). Findet man gar eine neue Art, so kommt dies schon einer Sensation nahe.

Die Riesen-Rafflesia (Rafflesia arnoldii, siehe oben) wurde 1818 erstmals für auf Sumatra von Thomas Stamford Raffles und Joseph Arnold für die Biologie entdeckt, von dem die Gattung dann auch ihren Namen erhielt. Seitdem hat man - wie gesagt - mehr als zwanzig Arten in Südostasien entdeckt. Wie viele Arten hiervon auf den Philippinen anzutreffen sind, ist gar nicht einfach auszumachen. Wegen der Ähnlichkeit der Pflanzen muss zur genaueren Artenbestimmung oft ein Spezialinstitut für Pflanzen-Taxinomie in den Niederlanden bemüht werden. Unsere Literatur-Recherche ergibt vier noch vorfindbare, als eigene Art anerkannte Art-Varianten.

Die „Rafflesia schadenbergiana“ mit einem Durchmesser von ca. achtzig Zentimeter wurde 1882 auf dem Mount Apo von den beiden Deutschen Schadenberg und Göppert(2) entdeckt und beschrieben. Diese Rafflesia-Art gilt mittlerweile als ausgestorben, man konnte sie trotz intensiver Recherche seit ihrer Erstentdeckung nicht mehr finden.

Von dem Engländer Teschemacher wurde im 19. Jahrhundert die „Rafflesia Manilla“ entdeckt. Sie hat einen Blüten-Durchmesser von 15–20 Zentimeter und wird nur etwa sieben bis neun Zentimeter hoch. Ihre Blütenblätter erreichen eine Länge von 6–7 Zentimetern und ist damit die kleinste Rafflesia. Man kann sie in Luzon (Mount Makiling und Mount Isarog), in Leyte und auf Samar vorfinden. Sie steht auf der Roten Liste der geschützten Pflanzen.

Eine dritte Art – die „Rafflesia speciosa“ (Tagalog: „Uroy“) wurde erst 2002 von den philippinischen Biologen Barcelona und Fernando im Süden von Panay (Mount Poras) entdeckt. Die rostig-braune mit weißlichen Warzen besetzte Blüte erreicht einen Durchmesser von ca. fünfzig Zentimeter und ist etwa 15 Zentimeter hoch. Sie ist die Vorzeige-Blume im neu errichteten Nationalpark Sibalom Natural Park.

Relativ ähnlich in Aufbau und Größe ist die 2005 von Fernando und Ong in Campostela Valley Province (Mindanao) entdeckte „Rafflesia mira. Gegenüber der speciosa-Art unterscheidet sie sich primär durch die Warzenmusterung und –verteilung.

Wiederum im Compostela Valley (Mindanao) hat man Ende 2005 vermutlich eine andere neue Art ausgemacht. Den genauen Fundort will man der Öffentlichkeit nicht preisgeben(3) . Man hat ihr den Namen „Rafflesia magnifica“ gegeben. Diese Rafflesia-Variante, deren Umfang mit 60 -70 cm angegeben wird, ist als neue Art offenbar bislang noch nicht anerkannt worden.

Ein Bergsteiger fand schließlich 2006 auf dem Berg Asog (Irriga City), die etwa 13 cm große „Rafflesia irigaense(4). Sie ist als weitere Art mittlerweile bestätigt worden. Die Stadtverwaltung von Irriga City will den Fundort der Pflanze nicht vor der Öffentlichkeit verstecken. Schon träumt sie davon, dass die Pflanze zum Touristen-Anziehungspunkt werden könne. Zumindest hat man die Pflanze jetzt schon einmal mit einer Umzäunung geschützt.

Von Einheimischen wird mitunter behauptet, dass mit einem Blüten-Extrakt Unterleibsschmerzen bekämpfen könne. Für eine wirtschaftliche Direkt-Verwertung ist die Blume jedoch in der freien Natur viel zu selten. Aber vielleicht gerät die Blume doch noch ins Visier der Genjäger und Gen-Synthetisierer.

In der Frage, ob man im Rahmen eines Öko-Tourismus Rafflesia-Blumen zur Schau stellen kann, gehen die Meinungen auf den Philippinen auseinander. Wirtschaftliche Tourismus-Interessen liegen hier im Widerstreit mit denen eines verstärkten Naturschutzes.

© Wolfgang Bethge, in 2006-08-23


(1) Romeo Braceros Jr., World’s ‘biggest’- strange-looking flower emits foul smell; stirs people, Mindanao Times News, 06.04.2001

(2) Schadenberg ein aus Breslau eingewanderter und – wie sein bekannterer Berufskollege Zobel – ein in Manila praktizierender Apotheker. Er berichtete über seine Entdeckung in einer spanischen Fachzeitschrift. Der Artikel wurde später von Blumentritt ins Deutsche übertragen.

(3) Juan Escandor Jr., Rare flower opens tourism opportunities for Iriga, in: Philippine Daily Inquirer, 06.03.2006

(4) Charles Buban, Rare flower found, in: http://news.inq7.net/nation/index.php?index=1&story_id=56167



Comments :

0 comments to “Die Rafflesia – bestimmt keine F”

Post a Comment